Donnerstag, 13. Oktober 2016

Wie ist es eigentlich, wenn man sich selbst im Kino sieht?

Durch ein Inserat kam ich zu einer Komparsenrolle als Holzfäller in einem Film, der nun ein Jahr später Premiere hatte.
Eine einmalige Gelegenheit, sich selbst 3m groß anzusehen, so wie sie einen nun gebannt haben auf Zelluloid, unveränderlich für alle Zeiten.

Bescheid sagen tut einem keiner vom Film, dass er läuft. Da muß man sich selber kümmern. Eine Einladung gab es nicht, so musste ich mir meine Kinokarte selber kaufen, von dem Geld, was ich ich damit verdient hatte und selber hinkommen. Sie können ja nicht alle Komparsen mit der goldenen Kutsche hofieren, seh ich ein.

Weil es eine Premiere war, schätze ich, gabe es keine Werbung vorm Film, super!
Und los gings, mit der Szene, wo 2 Holzfäller gleichzeitig mit Gewalt in eine Schwarzwald-Tanne hacken. Eigentlich stand ich mal zur Debatte, der zu sein, der stellvertretend für einen ganzen Berufsstand den fetten Baumriesen zu Fall bringt. Aber der Regisseur hat mich ausgetauscht, weil er meinte, "es sieht einfach scheiße aus". Ich wusste damals nicht, das meine Schulter ausgekugelt war, bin aber froh, nicht ewig "der Baumtöter" zu sein.
Schon im Vorspann zeigen die einige Szenen, die halbe Drehtage in Anspruch genommen haben, sekundenkurz; was eigentlich echt schade ist, aber so ist das wohl im Endeffekt.
Und da war sie schon, die erste Szene, wo ich vorkam. Man erkannte es an der Szenerie des dunklen Dobels mit Bergbach.

Gespielt haben wir Gehen einer Wegstrecke, Unterhaltung, überrascht schauen, und weitergehen durchs Bild, wo ich dem am Boden liegenden Köhler vermeintlich ins Gesicht habe spucken sollen. 2h Probe, 7h Dreh und dann sind es gefühlt 3 Sekunden, aber ich hab mich erkannt. Unscharf aber unverwechselbar.
Ein innerliches Grinsen macht sich einem breit, dass man es geschafft hat, wovon viele nur Träumen. Es war halt Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort Zeit gehabt zu haben. Eigentlich kann ich nix dafür, war Zufall.
In dem Moment, wo man gegenüber auf der Leinwand erscheint, ist man ganz still. Die Selbstwahrnehmung vergeht, denn man ist dort vorne im Außen. Im Kinositz sitzt bloß ein Körper, bis er merkt, dass er staunt, denn der Film geht ja weiter.
Also richtig los geht er erst mit einem Eichhörnchen, das ist sehr lieb. Ansonsten sind die Bilder zwar bunt und sonnig gelb, und dennoch schaffen es die Filmemacher mit Stille und und Pausen eine derbe Empfindung von karger Trostlosigkeit zu vermitteln, besonders durch die Musik des Film, die sehr reduziert und depri ist, aber das wollen die so. Der Text vom ersten Lied, das die erste dreiviertel Stunde lang gesungen wird, lautet "Huuuuuuu uuuuuuuuuu uuuuuuuu huuuuuuuuu uuuuuuuuh!" So lullt einen der Film richtig ein.
Und mittendrin lauft dann wieder der Juff durchs Bild, eine halbe Sekunde.
Es ist sehr komisch, weil man ja eigentlich als Privatmann in einem Freiburger Gebäude sitzt, andererseits in einer künstlichen Welt etwas darstellt, was optisch/räumlich größer und sichtbarer ist, als das Echte. Man existiert quasi mehr dort, für den Moment. Vielleicht deswegen lassen sich manche Indianer der Legende nach nicht fotografieren, weil man dann nicht mehr insgesamt nur bei sich ist. Aber der Film geht weiter.
Man erkennt andere Komparsen und die Darsteller. Am Set haben die Schauspieler auf einen teilweise einen komplett anderen Eindruck gemacht, wie im Film Den einen fand ich in echt nicht so sympatisch, aber im Film mag ich ihn, bei anderen ist es genau umgekehrt. Also sind der Lau und der Schütter vielleicht gute Schauspieler, und/oder sie sind gut inszeniert.
Irgendwann taucht dann ein Rotkehlchen auf der Leinwand auf, ganz groß. Das hat für mich den Film von :) auf :D herausgerissen. Ein dressiertes Rotkehlchen, so etwas habe ich auch noch nicht gesehen.

Nach der Vorstellung standen der eloquente Regisseur Naber und prominentes Zugpferd Bleibtreu (der ist gar nicht so groß!) dem Publikum für Fragen zur Verfügung ("Quew-and-Aee"), und wer ein goldenes Bändle hatte, hätte danach noch Häppchen gegriegt.

Also der Film ist ganz sehenswert. Die Filmemacher haben aus Anleihen von Berbern, Aboriginies, Papua-Neuguinea, Italowestern und eigenen fantastischen Zerrbildern ein insich rundes Bild einer Pseudo-Wirklichkeit erschaffen und in den Schwarzwald gesetzt, das beim Zuschauer eine Stimmung hervorruft, die er vor dem Kino nicht hatte, und das Wimmelspiel Wo-ist-dereinefescheKomparsedenichkenne ist echt sehr lustig, sollte man mal ausprobieren.
Der Film heißt: "Das Kalte Herz" und lief vielleicht in einem Lichtspielhaus in Ihrer Nähe.

Und wenn Sie Interesse haben, für eine Komparsentätigkeit, hätte ich derzeit wieder Kapazitäten.






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