Das erste Semester war draussen im Wald, wo man von 7 - 4 einem Förster hinterherlief und sah, was der so treibt.
Es gab nur 2 Tage, wo sich alle mal in Freiburg traffen, Uni, Schloßberg, Schauinsland undso, wo man dann mal die Nasen sah, die man die nächsten 5 Jahre wohl ständig sehen sollte.
Ich kam daher aus dem hintersten Bayern, wohl aber aus der Rastafari-Hauptstadt Deutschlands, hatte selber schon paar Jahre DJ-Erfahrung und war natürlich auch gespannt, ob denn in diesem Freiburg auch mal die eine oder die andere Reggae-Party wäre.
Ich kann sagen, ich wurde nicht enttäuscht.
Der erste Eindruck waren Tapeten von gelben Plakaten mit grüngelbrot und großen Lautsprechern drauf, die im Stadtbild nicht zu übersehen waren. "Blackwood Soundsystem" hieß es, in einem Laden namens Cräsh mit einem Converse-Stern als Logo. Das Gebäude hatte ich sogar in der Nähe des Bahnhofs schon entdeckt.
Der Vorwand war dann, dass ich mir am Wochenende noch ein Zimmer ansehen wollte, warum ich 2-3h irgendwo im Rheinland übernachtete, um dann am Wochenende auf diese Reggaeveranstaltung gehen zu können.
So fand ich mich dann mal sicherheitshalber um 9/ halb 10 vor diesem Cräsh, aber der Laden schien zu. Ich wartete fast ne Stunde, bis einige französische Jugendliche auftauchten, aus Freiburgs Nachbarland, und sie rauchten Marijuana auf der Straße!
Es verging noch einige Zeit, bis die schwere Metalltür aufging, und scheinbar sollte die Veranstaltung dort dochnoch stattfinden.
Ich ging also hinein, hinunter und sah Boxen. Riesige Lautsprecher und deren viele, in allen Ecken des Karrees. Die Inneneinrichtung fest hart schwarz aus Metall und Stein. "Nee," hab ich mir gedacht, "die werden die Boxen nicht aufdrehen so laut wie sie groß und viele sind, weil das würde ja man wohl nicht aushalten können." Doch so kam es. Ich war fasziniert und konnte es aber mit niemanden teilen. Es war einfach nur möglich, zu erleben mit der Fußnote, daß man noch gut 7h Autofahrt vor sich hatte. Zwei Weizen konnte man ja trinken, aber die Dosis von Klang und Optik, Leuten und Eindrücken war für den Erstsemester gewaltig.
So viele Leute und es ist nicht nur der eigene Schweiß, der da von den Rohren an der Decke als Kondenswasser auf einen hernieder tropft. Und so setzte ich mich mal raus auf die Treppe vor dem Tanzbereich fertig.
Da saßen vor mir 2 Jungs mit kurzen Haaren, im Licht, und rollten offensichtlich einen Joint! Da kamen Lauryn Hill und Jennifer Lopez von der Tanzfläche, gingen die Treppe hoch zur Toilette und sahen die Jungs. Sie waren sich nicht bekannt. Da sprach die eine den einen Jungen an und ließ ihm aus ihrer Hand eine fette Gras-Blüte da, dass er ihnen einen bauen mag, bis sie wieder von der Toilette kommt. So war's dann auch; sie bedankt sich und geht weiter.
Für alle Beteiligten normal - ich war fassungslos.
Die Schwarzen, die ich aus Bayern kannte, mit seinem 40x60km-großen Truppenübungsplatz, waren in der Regel amerikanische GIs, die eigentlich nicht mit Deutschen redeten, ihre Frauen schonmal garnicht. Und hier sowas von einem Miteinander?!
Die Kiffer in Bayern wurden arg verfolgt, man hätte es nie gewagt, in der Öffentlichkeit im Licht sich als nicht-regelkonformer erkennenzulassen und ausserdem hatten bei uns alle Kiffer Dreads, hier rauchen sogar die Kurzhaarigen!
Ich musste dann die Jungs vor mir ansprechen, daß ich doch aus Bayern käme und sie nicht so ein Faß aufmachen sollten, weil ich sonst aus Overburn an Eindrücken meine lange Heimfahrt schwer schaffe,
aber es ging irgendwie. Ich kam ja wieder.
16 Jahre später stand ich selber an den Decks von einem Soundsystem im Cräsh und wundere mich garnicht.
Ich glaube nicht, daß ich vor 16 Jahren gedacht hätte "Hier will ich unbedingt mal selber auflegen!" und überlegt hätte, was müsste man tun dorthin und was wären die ersten Schritte auf dieses Ziel bezogen. Reggae-Veranstaltungen in dieser Dimension - so laut und so viele drinnen - kannte ich davor nicht, und ich bin ja nicht zum Auflegen nach Freiburg gekommen, sondern um Forst zu studieren und danach irgendwas mit Wald zu arbeiten.
Die Jahre vergingen, Freiburg hatte immer viele Reggae-DJs, die kamen und gingen, Partyreihen, die ihre Locations wechselten, Konzerte in der Stadt und im Umland, und irgendwie hielt man es aus, und ohne jetzt irgendwie 20 Jahre lang so aktiver DJ gewesen zu sein, hat man mich sogar ehrenhalber gefragt und so stand ich da.
Artwork by Kiki |
Irgendwo draussen auf der Treppe saß womöglich ein kleiner Erstsemester, die Ellenbogen auf die Knie gestützt und hielt seinen Kopf.
So ist das Leben.
Ich glaub, man erreicht nicht das, was man will oder wonach man eifert, sondern das, was man gut findet. Deswegen sollte man das lieber gleich machen,
und aufpassen, was man mag.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen