Ein reicher Mann, arm an Geld, geht zum Markt aus Bedarf an Kartoffeln.
Und mitten zwischen all den Menschen steht plötzlich vor ihm: sein verschollener Kollege, von dem er nur wusste, dass dieser vor 5 Jahren zurück musste, nach Syrien.
Der Mann hatte sich oft in letzter Zeit Gedanken gemacht, was wohl aus seinem netten Kollegen geworden war, seit dieser damals dem Ruf seiner Heimat gefolgt war, jedoch gab es keine Spuren von dessen Verbleib oder Konstitution.
Lebte der Kollege noch? und wenn, wie? Würde man überhaupt etwas vernehmen, wenn es den Kollegen erwischen würde - oder wird dieser für immer Erinnerung bleiben, eine Rolle in einem kleinem Kapitel im Drehbuch des Lebens?
Und wenn so ein Kamerad dann plötzlich vor einem steht, leibhaftig, was gibt es für größere Freuden?
Später erzählte der Syrer, wie es ihm ergangen war:
Die ersten beiden Jahre ging es ihm gut, dann wurde er, weil noch keine 40 Jahre alt, vom Staat zum Militär eingezogen. Weil er aber das Regime nicht so ganz cool fand, wurde er dort ein halbes Jahr eingekerkert.
Dann kamen die Fundamentalisten und haben ihn wiederum eingekerkert, weil er ja bei der syrischen Regierung in der Armee war.
Für alle, die es nicht wissen: es gibt da den Assad, der ist Diktator und will angebetet werden. Dann gibt es noch rechtsradikale Fundamentalisten, die wollen einen Gottesstaat errichten. Und dann gibt es noch die normalen Leute, die wollen eigentlich nur ihre Ruhe haben. Das sind die Guten. Von denen gibt es in jeder Stadt 2 oder 3 geheime Rebellen. Das aber nur am Rande.
Nachdem der verschollene Kamerad also auch wieder irgendwie den Schergen der Fundamentalisten entkommen war, musste er sich 2 Wochen in einem Felsloch verstecken, weil seine Ortschaft überfallen wurde und die Bösen vor den Höhlen warteten. Nachdem er 14 Tage seine Beine nicht bewegen konnte und sich nur aus einem Rinnsal im Stein und von Kippen ernährt hatte, zogen die Bösen ab.
Dann wollten sie ihm eigentlich die offenen von Trombose schwarz gefärbten Beine abnehmen, haben sie aber nicht. Er begab sich auf die Flucht, in einem Tiertransporter zwischen Kamelen in den Irak.
Dort meinten sie, dass ihn im Irak jeder erschießen würde, weil er mal ja bei der Regierung gewesen war, und führen ihn zurück.
Dann machte er sich auf zur Jordanischen Grenze. Die Grenzer sagten, dass sie einen, der ein wenig Ahnung von Satellitenbildern und Fernerkundung hat, in ihren Land nicht wollen und haben ihn 300 km in die Wüste richtung Irak gefahren und mitten in der Wüste ohne alles frei gelassen.
Der Flüchtling schlug sich dann 1,5 Monate lang durch Wüste. Tagsüber ruhte er in den Schatten spärlichen Buschwerks, nachts zog er weiter. Er ernährte sich von Eidechsen und Säften eigentlich giftiger Kakteenwurzeln.
Irgendwann erreichte er einen Beduinenstamm, und weil er der Fern-Cousin um 4 Ecken von einem den Beduinen Bekannten war, halfen ihm diese zurück an die Grenze zu Jordanien.
Die Jordanier haben ihn wieder zurück in die Wüster gefahren.
Nach 1,5 Monaten war er wieder bei den Beduinen. Die meinten, er müsse halt bei ihnen bleiben, als Beduine. Doch wenn böse Schergen kämen und ihn dort entdeckten, wäre das schlecht für den ganzen Stamm. So schickte ihn der Beduinenhäuptling mit seinem Sohn und paar Kamelen und Schafen zurück an die Grenze, wo sie einige Wochen einen auf normale Hirten machten, in Sichtweite der jordanischen Grenzer.
Über die Zeit gelang es dem flüchtigen Syrer, über den gemeinsamen Dialekt und weil in Syrien die Kippen billiger waren, in Kontakt mit einem syrischen Grenzer zu kommen.
Der Grenzer meinte, es gäbe keine Chance, nach Jordanien reinzukommen, außer 30 Sekunden lang nachts um halb eins, bei der Wachablösung.
Mit Nachthemd und Rucksack gelang es so, dem kühnen Flüchtling, die verpennten Wachen freundlich grüßend, durch die Reihen zu spazieren und nicht aufzufallen.
Nach einem Marsch von einem Tag und einer Nacht gelangte er in die jordanische Hauptstadt zur deutschen Botschaft, die aber an dem Tag geschlossen hatte.
Polizisten, Telefonanrufe, irgendwie kam er doch rein, und der Botschafter meinte, weil er kein offizieller Flüchtling war, konnte er nicht offiziell ausreisen nach Deutschland, wo er eine Einladung als Gastwissenschaftler von seinem alten Prof hatte.
So fuhren ihn die Jordanier wieder zurück an die Grenze, denn er musste noch 2 Tage in ein Flüchtlings-Camp, um den offiziellen Flüchtlingsstatus zu erlangen.
In Gefangenschaft und auf seiner eineinhalbjährigen Flucht hatte er einiges erlebt. Er hatte 2 Brüder und 2 Schwestern verloren, er hatte sich 5 Kugeln eingefangen, die man einfach selber mit dem Messer entfernt, er hatte unter Folter einige Zähne verloren, das Knie hatten sie ihm übel bearbeitet.
Er unterhilt sich mit seinem Kameraden, als dieser eine Kugel einfängt, ihm übers Knie fällt und ihm den Schoss einsaftet. Man kennt da keine Trauer mehr, in Syrien. Man sucht ein Loch, verscharrt den und ist froh um das eigene Leben.
Einmal sei er zu 70st (!) 14 Tage lang auf 20m² eingesperrt gewesen, wo man sich nicht mal mehr rühren konnte. Die Gefangenen selber hätten dann immer 3-4 von ihnen rausgegeben zur Folter, dass sie sich wenigstens ein bisschen die Schultern rühren konnten. Die Gefolterten kamen dann wieder und wären eh erstmal 3-4 Tage so fertig, dass sie nichts mitbekommen hätten. Die Mithäftlinge umsorgten sie mit dem was sie hatten: nur Wasser und einmal am Tag ein Stück von einer Kartoffel beißen.
Aber nichts sei am Ende so schlimm gewesen, wie die Zustände im jordanischen Flüchtling-Camp, wo sich die Gefangenen gegenseitig umbrachten für einen Schluck Wasser - von den internationalen Hilfsgeldern Fehlanzeige.
Naja, hat ja dann alles geklappt, und so stand er plötzlich frisch und munter vor seinem erstaunten Kollegen - kein graues Haar mehr als vor 5 Jahren und immer noch der gleiche Kindskopf.
Der Mann wollte wissen, ob ihm der Allah wohl geholfen hätte.
Der Syrer entgegnete, er glaube an das Gute. Wenn man gutes tut, käme gutes zurück. Wenn man nichts schlechtes täte, sei einem das Glück hold.
Das wichtigste im Leben sei Gesundheit von Fuß und Kopf (phys.& psych.), dann Familie und Freunde/Netzwerk. Hätte er nicht immer wieder die Hilfe von Verwandten und Bekannten gehabt, wäre er nicht soweit gekommen.
Das kann man daraus lernen. Und:
Um Eidechsen zu fangen, braucht man ein Feuerzeug mit so heller Lampe. Wenn die Eidechse das Licht nachts sieht, bleibt sie stehen und man kann draufhauen.
Der reiche Mann, arm an Geld, war nachhaltig beeindruckt.
Eines freitagnachts um halb 12 kam er an einer Kirche vorbei, auf deren Stufen relativ einsam eine schöne Isomatte und ein Wanderrucksack verblieben waren. Die Kirche unweit des Supermarktes mit Alkoholverkauf bis 22 Uhr ist nachts ein Treffpunkt von Jugendlichen, Säufern und allerlei Gesindel, obwohl sie zugesperrt ist.
Später auf dem Heimweg nachts um 3 kommt der Mann wieder an der Kirche vorbei. Die Isomatte war weg, das Gesindel auch. Mutterseelenallein stand da nurmehr der Rucksack. Wo war sein Träger? Hatte den der Alkohol seinen Rucksack vergessen lassen?
Der Mann nahm den Rucksack ersteinmal in sein Appartement, um zu untersuchen, ob der Inhalt Schlüsse auf den Eigentümer zuließe. Es fanden sich jedoch keine persönlichen Gegenstände darin, jedoch Sachen, die dem Besitzer von Diensten sein können: ein Schlafsack, Besteck, Handyladegerät, Präser, Psychopharmaka und ein Speichenschlussel.
Um halb 4 streifte der Mann nocheinmal um die Kirche mit all ihren Nischen, den Rucksack dabei, aber keine weitere Menschenseele war mehr unterwegs.
Doch der Mann war ein guter Mann und wollte den Rucksack montags ins Fundamt bringen, das jedoch nachmittags nicht mehr geöffnet war.
Dienstag vormittag stand er wieder vor dem Fundbüro mit der guten Intention und traf dort zufällig auf einen alten Bekannten aus seinem Netzwerk, der etwas anderes im gleichen Gebäude zu erledigen hatte. Wenig Zeit hatte dieser, wie immer; man sieht sich selten, der Bekannte ist viel beschäftigt. Der gute reiche Mann, arm an Geld, wenig, und so kam eins zum anderen, so dass der gute Mann zwei Wochen später nicht mehr ganz so arm war, wegen Beschäftigung bei seinem Bekanntem aus seinem weiteren Netzwerk, den er zufällig traf, als er ehrlich den Rucksack abgeben wollte.
Also tu Gutes und pflege dein Netzwerk!
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