Mittwoch, 31. Juli 2013

Der freche Vierling vom Butzenwald

Wenn sonst nix geht, muß man selber gehn.
Mein Fallmanager vom Arbeitsamt tut einen Scheißdreck, mich von der Straße zu holen. Da nutzt man die Feuchtigkeit der Regentage in ihrer Kombi mit der Sommerwärme, um mal zu schauen ob's nicht schon Schwammerln/Speisepilze) gibt.
Der Stadtwald von Freiburg ist ja da erfahrungsgemäß nicht so ergiebig, aber am Mount SchauInsLand hatte man schonmal Ernte.
Mit dem neuen Fahrrad nach Günterstal und weiter, bis der Berg zu steil wird und ab in die Büsche.
Eine Form des Wanderns, die man machen kann, wenn keine "Mädchen im weiteren Sinne" dabei sind, ist der free trial. Dabei folgt man nicht den markierten Wegen, sondern seinem offenen Herzen. Geleitet wird man dabei von geographischen Unregelmäßigkeiten, Wildwechseln und dem persönlichen Empfinden.
So fing eine fette Buche bergoben meine Aufmerksamkeit.
Fette Buchen hat man hier im Wald nicht so oft. Wie ein Zeuge Jehovas auf der Kaiserbrücke stand er da an einem Wegesrand, als würde er irgendetwas wollen. In 4 Stämme teilte sich sein Stock. Grund genug, ihm auf einer verewigenden photographischen Ablichtung derselben zu ehren:

Solche besonders gewaltigen Bäume sind meist Teil eines übergeordneten Kräftesystems in der Landschaft und zeigen mit Baumchakren in Form von besonders schön überwallten Astknubbeln oder fetten Ästen in die Richtung einer anderen geilen Stelle, wie alte Kapellen oder coole Orte. So war mein weiterer Weg klar: dem Ast nach. Trotzdem fühlte ich mich noch weiter von der vierstämmigen Buche gebannt.

Ich folgte anfänglich einem Wildwechsel zu einer schönen Sasse (wo Wildtiere nachts pennen) mit Bodenschleimern,
(Wusstet ihr, dass Schnecken Zwitter sind und mit ihrem Liebespfeil erst den anderen zu ihrem Geschlechtpartner machen?)
doch verlor sich der Wildwechsel alsbald in Unwegsamkeit. Ich sah mich veranlasst, durchs Gestrüpp nahezu senkrecht wieder auf eine befestigte Forstsrasse zu klettern, wollte aber weiter die vom Ast vorgezeigte Richtung verfolgen, unter Berücksichtigung weiterer ausserordentlicher Baumwuchsmerkmale.


Ich verließ die Forstraße, hielt mich an einem Trampelpfad, einem Teilstück des Kübfelsensteigs, folgte, um die Richtung des Astes zu halten, und aus Bequemlichkeit, wieder einer Forstraße. So gewann ich immer mehr an Höhe.

Der dichte Bodenbewuchs nahm mit der Höhe ab, die Hoffnung auf ein Speisepilzgericht am Abend stieg.

Ich näherte mich dem Kamm des Bergausläufers vom Mt. SchauInsLand und bewunderte die abwechslungsreiche Vegetation.
Bald würde ich dem Kamm erreicht haben, wo mich sicherlich eine herrliche Aussicht erwarten würde. Die aussergewöhnlichen Bäume nahmen relativ ab. Dann an einer Wegkurve lud eine Holzbank unter einer schönen Eiche zur Rast.
Ich hatte nun 2 Möglichkeiten: Entweder der Forststraße zu folgen und in bälde den Höhenkamm zu erreichen, oder einem Bergausläufer zu folgen, der an jener Stelle vom Hauptkamm bergab verlief und vielleicht am Ende einen Felsen mit 360°Rundum-Vision hatte.
Na, wenn man schonmal da ist, ... so ging ich den Ausläufer hinab. Es gab 2 Hochsitze, sonst nichts. Ich kehrte lieber um, bevor ich zu weit ins Tals kam, zur Bank. Unterwegs hab ich noch ein Vogelhäuschen repariert. 
Da wollte ich auf der schönen Bank unter der Eiche eine rauchen, eingedenk der Druiden, was übersetzt "Eichenkundige" bedeutet. Und danach weiter zum Kamm.
Aber Scheiße: der Tabakbeutel war weg!!! Der schöne blaue Tabakbeutel, den ich vor 3 Jahren im Leder-Unterricht angefertigt hatte. Wie oft hatte ich ihn schon verloren! Sei es diesmal das letzte Mal gewesen?
Weiter zum Bergkamm ohne Tabak, oder den ganzen Weg zurück?
Ich war zwar schon 2h unterwegs, aber auf meinen Wegen und Angesichts der wenigen Leute die unterwegs waren (manche arbeiten), und vielleicht läge der Beutel bald ums Eck, dieser Gedanke würde mir keine Ruhe lassen. Und wenn ich schon keine Schwammerln find', dann vielleicht wenigstens meinen Tabakbeutel wieder. 
Genervt ging ich also den Ausläufer mit den beiden Hochsitzen nochmal hinab und wieder hoch, da war er nicht. 
Den genauen Verlauf meiner Tour nachzuvollziehen, war schwierig. Ich hatte mich immer nach vorwärts orientiert. So kam ich auch immer wieder an andere Stellen, wo ich zwar falsch war, aber auch schöne. 






Insgesamt dauerte der Abstieg viel länger, wegen oft umkehren. Am wahrscheinlichsten hätte ich den Tabakbeutel verloren, als ich aus dem Dickicht senkrecht auf die Forstraße geklettert war. Meiner Erinnerung nach war dort zum einen eine Lärche, an der ich mich festhielt, zum anderen hohe Brennnesseln, denen ich aus dem Weg ging. Die Stelle war nicht leicht wiederzufinden.
Dann meinte ich, sie gefunden zu haben, aber dort war der Tabakbeutel auch nicht.

Irgendwann kam ich wieder zu den 2 Schleimern


und zu der komischen vierstämmigen Buche


und da lag er, mein Tabakbeutel!

Der ehrwürdige Buch' war noch nicht fertig gewesen mit mir. Irgendwas wollte er. Und so folgte ich direkt seinem Astzeig richtung dorniges Brombeerdickicht.
Hätte ich keine kurze Hose angehabt, wären meine Unterschenkel nicht so zerfetzt gewesen. Aber man redet sich ein, dass bei Männern offen blutende Wunden hormonell eine gewisse archaische Kampfgeilheit ausschütten, eine Art schmerzfreie Euphorie, und damit die Sache mit dem Tabakbeutel und dem vierstämmigen Buchenbaum vielleicht doch noch einen runden Abschluß erreichen könnte, warf ich mich wie ein John J. Rambo in den Dschungel, der Astrichtung nach, und dorthin, wo mir vorher auf dem Rückweg dieser dicke Zwiselbaum aufgefallen ist, der wie ein badischer Fasnachtshästräger eingekleidet war in kleinblättriges Efeu, womit er sich herausragend von den anderen Bäumen hier im Wald unterschied. Starker Efeuwuchs ist oft ein Zeichen von krassen energetischen Qualitäten eines Ortes.
Dieser genaue Ort befindet sich unterhalb einer Wegkurve, an der Äste und Stämme der Waldarbeit unachtsam in einen Bach geschüttet wurden.
 Auf 2m² dort, wo eigentlich das Wasser plätschern würde, stand ein intensiv aromatischer Geruch, dessen Quelle nicht ausfindigzumachen war.
Die garstigen Brombeeren taten ihr übriges, um diese Stelle zu verschandeln. Und so spürten sie meine geballte Tollheit, die sie selber verursacht hatten, plus einer erstaunlich aktivierenden Energie des Ortes, und jetzt ist es wieder schön da.

Ich wäre noch gern an diesem Ort verweilt, aber die Aasfliegen nuckelten bereits an meinen blutigen Schienbeinen und wollten meine Verwesung einleiten. Ich musste das weite suchen.

"Was hat man nun davon?" fragt der Verbraucher








Durst und Zecken.




Wenn man vom Schauinsland wieder nach Freiburg fährt, sollte man es sich nicht entgehen lassen, dem schönsten Biergarten Freiburgs einen Besuch abzustatten: St Valentin

Biergartentest Freiburg

Ein Biergarten ist ein Garten mit Bier. Somit fallen schonmal "Der Kaiser", "Der Stahl" und der Seepark weg, weil die haben kein Bier, nur Ganterbräu.
Im bayrischen Sinn ist ein Biergarten ein gemütlich beschaulicher Ort mit Kastanienbäumen, wo man der Hektik des Alltags entfliehen kann, wo Standesunterschiede aufgehoben sind, wo man sich trifft, um sich zu laben und einem eine Frau gutes Bier bringt. 
Sankt Valentin erfüllt das alles. Mitten im Wald gelegen, eine halbe Stunde über der Straßenbahnendhaltestelle Günterstal, steht ein richtig altes Haus aus dem 17. Jahrhundert. Davor stehen wettergegerbte Holzklappstühle und Holztische. Es gibt Fürstenberg-Bier vom Faß für 3,20 relativ sozialverträgliche Euro die Halbe, außerdem noch Riegeler Landbier im Steinkrug, von Mädchen an den Tisch gebracht. Außen herum grillen Zirpen und rauschen die Blätter des Schwarzwaldes.
Wer zu lange bleibt, kann eine Fackel haben, dass er im Dunkel nach unten findet. 
Prädikat: seeehr chillig!

Im Gegensatz dazu der Kastaniengarten oben am Schloßberg: Ja, er hat Kastanien. Zielgruppe Studenten und Akademiker und Touristen. Auch die Amerikaner stören mich nicht. Abers ist einfach eine Farce, ein Erdinger Weizen für 3,60€ aus einem windigen Holz-Kiosk zu verkaufen, wo man sich 20 Minuten lang anstellen muß. 
Zugegeben hat der Kastaniengarten die schönere Aussicht auf den Münsterturm, und dieser Schloßbergfels ist ein sehr kraftvoller Ort auch. Aber 3,60 steht ausser Relation, so dass sich alle Stände dort versammeln könnten.
Zwar gibt es Biermaß, aber die machen Maß mit Pils(!) weil sie kein Helles kennen. Aber am schlimmsten sind die Straßenmusiker. Straßenmusiker gehören auf die Straße. Wenn einem das zeitlose Rauschen der Blätter die Gedanken des Alltags in den Himmel entträgt, und dann kommt der mit seinem SweetHomeAlabama, oder die Zigeuner mit ihrer Ziehharmonika, dann kann man sich weder mit sich selber noch mit seiner Gesellschaft unterhalten. Bierdeckel selber mitbringen! Ich brauch in einem Biergarten keine Events, sondern das Gegenteil. Sonntags Weißwurschttag, aber sie machen erst um 11 Uhr auf LOL
Prädikat: der Ort ist halt geil, aber der Rest ist eine Farce!

Den Feierling in der Stadt gibt's noch, und den Martinsbräu.
Der Feierling geht eigentlich. War ich aber schon lange nicht mehr, weil es ist zu eng und zu voll und die haben keine so schöne Aussicht. Das selbstgebraute Bier, dass sie dort ausschenken ist viel besser als das Zeug, was sie einem in diese ToGoKaraffe mitgeben. Die schönsten Mädchen Freiburgs bedienen da bringend. Das Bier kostet wie im Kastaniengarten, da setzt man sich lieber mit einer Flasche aus dem Supermarkt auf den Augustinerplatz. Prädikat: eher gut als schlecht.

Martinsbräu hat keinen Garten.

Wildcard: Landhotel Falken. Wenn man aus Stadtflucht nochmal so lange aus Freiburg rausfährt, wie Ebnet, am nördlichen Waldrand entlang, kommt man zum Landhotel Falken. Da gibt es das imgroßenundganzen beste Bier der Region, das Waldhausbier (Naturhopfen statt Pellets!). Sie haben auch eine Kastanie, Holztische und Klappstühle, eine rote Garfield-Katze und eine unschlagbare Aussicht auf weidende Mutterkühe mit Kälbchen und das unverbaute Panorama des Hochschwarzwaldes. Die Leute sind sehr nett, die Halbe kostet 3,40 und wird gebracht. In Rufweite befindet sich der Baldenwegerhof, wo sie bis halb 7 abends sebstproduzierte Lebensmittel in reicher Auswahl verkaufen. Nebendran ist noch ein übertrieben großer Spielplatz mit einem riesigen Luftkissen. Und danach wieder eine halbe Stunde in die Stadt rollen lassen oder Bushaltestelle.
Prädikat: * * * *



noch zu den
 Zecken

Mich mögen sie ja, mehr als Hunde. Liegt wohl an dem hohen Buttersäuregehalt in meinem Geruch.
Das letzte, was ich jetzt gehört habe: man solle sie zuerst mit dem Finger am Bauch massieren, das rege ihre Ganglien an, und dann mit den Nägeln von Daumen und Zeigefinger unter leichtem Zug hinundher, als dass die dann sogleich von alleine loslassen. Ich glaub, dass sie erst einen Tag gesogen haben müssen, bevor ihr Gift gefährlich wird. Davor bemerkt man sie eigentlich durch das Jucken. Nach dem Entzug der Zecke ritze ich persönlich mir die Hautstelle leicht auf und mache einen Tropfen Propolis drauf, das Zeug, mit dem Bienen ihren Stock frei von Keimen und Bakterien halten. Gibt es am Münstermarkt. Und ich leb' noch. 
 Ja, sie übertragen schlimme Krankheiten, aber da halte ichs mit Seneca: Es gibt nichts auf der Welt, vor dem man nicht Angst haben könnte. Würde sich an der Stelle ein roter Kreis bilden, täte ich wohl auch mal zum Doktor gehen. Das Waldvergnügen sollte man sich aber nicht entgehen lassen.





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