Donnerstag, 30. Juli 2015

Geschmiere am Eiswagen

In der Baslerstraße waren zwei Stellplätze frei, die der Vermieter gern an Anwohner vermietet hätte. Einer der Anwohner hat da jetzt neu einen Eiswagen hingestellt und lässt dort Eis die Kugel 1€ verkaufen und auch Kaffee Togo. Alles schön und gut.
Er hat da so eine weiße fahrbare Bude in top Zustand, mit einer Gefriertruhe drin. Als Werbung gibts einen Plastikpinguin und ein Eis-Fähnchen, dass er mit Kabelbindern an der Dachrinne festgezurrt hat.
Wenn er kein Eis verkauft, ist der Wagen zu. Man sieht dann nur noch das Eisfähnchen an der Dachrinne und einen "Oh! Bruno Gelato"-Aufkleber.

Jetzt hat ihm einer was auf seinen ganzen Wagen gesprüht und zwar "ISR" - nichtmal "EIS", aber fast. Auch nicht ISIS oder Israel oder Isar.
nebenbei: in dem Kugummiautomaten links gibts Stinkbomben für 50 cent :)
"ISR" ist kryptisch und bedeutet: Ich habe selber keinen so schönen weißen Eiswagen und Neid und der Herr Eisverkäufer ist mir scheißegal.

Da kann der Eisverkäufer nichts dafür. Der muß viele Eiskugeln verkaufen, damit er die Standgebühr zahlen kann. Und wenn er im Winter den Eisverkauf ruhen lassen will, kann er den Eiswagen erst verkaufen, wenn nichts mehr draufsteht.
Wenn da einmal einer hinschmiert, machens meistens welche nach. Das Gesetz der Aggregation, wie bei Hundehaufen.

Es gibt ja auch "Streetart", zum Beispiel gerade neben dran an der Hauswand: dort wollte der Vermieter ein Bild und hat einen Künstler beauftragt, weil er es selber nicht so gut kann. Oder unter der Brücke, für das Bedürfnis der Menschen, die in unserer Gesellschaft nur mehr Nummern sind und nicht mehr gehört werden und sich doch in der Lebewelt als wirksam erfahren wollen, wo ihnen die Massengesellschaft sonst keine Möglichkeit bietet.
http://juff1.xobor.net/g1p506-brueckenparty.html

Aber am anderen seinen Eiswagen zu schmieren, das ist schon ein Notschrei der Bedürftigen. Wenn er selber einen eigenen Eiswagen hätte, glaub ich nicht, dass er da hingesprüht hätte. Sicher meint er es nicht bös, sondern er nimmt den Mitmenschen Eiswagenbesitzer genausowenig wahr, wie er selber wahrgenommen wird - nämlich garnicht.

Früher war es auch nicht besser, da habens schon die Steinzeithöhlen vollgeschmiert, dann soll es wohl so sein, weil sich scheinbar nie was ändert. Was wir tun können, ist, dass wir da in der Baslerstraße ein Eis kaufen, das ist dem Eiswagenbesitzer Trost. Amarena-Kirsch ist ganz gut.

Was machen wir mit dem armen Sprüher? Sollen wir ihn mit einer vollgeschissenen Windel in eine Schaukel binden und ihn immer anschubsen und schauen wie er schaut? Darf man nicht. Man sollte ihn finden und ihm genug Zeit geben, dass er was hinmalen kann, was auch dem Eiswagenbesitzer gefällt, aber ich bin nicht der Eiswagenbesitzer. Ich bin Ästhet, mich stört nur das Geschmiere. Es gibt ja kaum mehr einen Quadratmeter in der Stadt ohne Buchstaben. Wenn man das alles lesen müsste, käme man zu nix mehr. Aber man liests unterbewüsst. Das Hirn filtert dann unter Energieaufwand die Reize und sagt "unwichtig". Es kann mit ISR nix anfangen und fühlt nur mit dem Eiswagenbesitzer. ISR-Man, ich mach nen blog. Manche mögens, die anderen müssen nicht hinschauen. Geht babyeinfach und selbst Internetcafe ist billiger als sprühen, wenn du keinen Computer hast!
Aber wer sich glaubt, über andere stellen zu müssen, der ist'n Nazi.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen