Montag, 21. Oktober 2019

Rollerderby


Rollerderby ist ein neuer Sport ohne Ball, bei dem 2x5 Rollschuhfahrerinnen gegeneinander um die Wette drängeln.
Auf dem Boden ist eine Rundbahn abgeklebt, auf dieser die Mädels gegen den Uhrzeigersinn, versuchen, aneinander vorbeizukommen.  Also jede Frauschaftschaft hat eine Stürmerin ("Jammer") und vier Blockerinnen, die dann auf die gegnerische Stürmerin losgehen.
Wenn eine Stürmerin durch den Block gekommen ist, fährt sie rundherum und muß nochmal alle überholen. Dann bekommt sie pro überholter Hüfte 1 Punkt, und es gibt nen neuen Durchgang. 2x20min.


Das ganze klingt erstmal wahnsinnig, warum denkt sich jemand so einen Sport aus? Aber zumindest den Mädels scheint es Spaß zu machen.
Es ist nicht wirklich spannend, aber sehr fesselnd, wenn die immer so im Kreis fahren, und faszinierend, wie die unterschiedlichen Stürmerinnen wie ganz vorne bei der IKEA_Schlussverkaufseröffnung versuchen, sich an die Spitze zu bringen.
Die große Starke machts mit Kraft, die gazellenartige machts mit Athletik und die kleine Maus schlupft überall durch.


Dabei schubsen die sich und hüftkicken sich von der Bahn. Es hat schon bis weit
in in die erste Halbzeit gedauert, bis man sich an das Purzeln gewöhnt, weil die Damen immer gleichwieder aufstehen.
Erstaunlich bei all dem Gerangel: Ausgeflippt ist keine. Der Sportsgeist zählt bei diesen Sportlern noch höher als Testosteron.
Das ist auch der Grund, warum ich mir ein solches Spiel einer Herren-Mannschaft nicht am Sonntag Nachmittag anschauen wollte.
Die Frauen vertragen sich, nach dem Ende umarmen sie sich und feiern sie sich, das sind keine kriegerischen Emotionen, sondern einfach nur schön.
Es ist also eine gute Sportart für Frauen, die anders sein wollen, als andere.

 Das sind jetzt nicht alles Lesben, aber die sind da sehr offen dafür, dass Frauen selbstbewusster in der Gesellschaft stehen. Feministinnen, Punks, Normale, aber gut durchtrainiert. Sie geben sich lustige Namen und Rückennummern, die ihnen gefallen. Sie schminken sich vorm Spiel rockabillymäßig auf. Es gibt keine Trikotwerbung, der Sport finanziert sich noch selber. Die Heimfrauschaft bäckt immer die Muffins und veganen Pizzateilchen und Kuchen. Das Publikum ist auch diverser, wie zB beim Fußball.
Es herrscht ein guter Geist beim Rollerderby - Geht doch mal hin!


Das Spiel ging aus 47:351, vielleicht weil Bratwüscht mehr Schmackes haben, wie Salat, aber die Freiburger gibts erst seit 1 Jahr und die Regensburger seit 5. Die hatten es auch richtig Drauf mit ihrer Taktik, die eigene Stürmerin freizublocken und die Freiburgerinnen nicht durchkommenzulassen. Respekt!

Freitag, 4. Oktober 2019

Der Sonnenuntergang und sein Ausgang

In einer ungewohnten Arbeitsamtmaßnahme wurde Franz K gedrängt, sich ein Ziel zu suchen. Ziele seien SMART: Spezifisch, Meßbar, Actionpacked, mindestens zu 70% Realistsch erreichbar und Terminiert an einem Bilanzzugsdatum. Es gibt auch eine MINT-Regel, und viele andere Konzepte, denen man englische Wörter geben kann, aber das heißt noch lange nicht, dass sie wahr sind.
Wenn einer Rauchen aufhören will, dann soll er vielleicht die nächste Kippe so lange nicht rauchen, wie es geht, oder sofort die Kippe ausmachen.
Wenn einer abnehmen will, dann soll er weniger essen oder das nächste Mal mit dem Fahrrad fahren.
Wenn einer nach Österreich will, dann solle er schauen, wieviel es kostet und wann er Zeit hat.

Ein Ziel finden, dass man eh erreichen kann.
In Anbetracht der Enge im Rahmen der Maßnahme, entschloß sich Franz K, die Zielregel spaßeshalber zu versuchen und wollte Nachmittags in den Schwarzwald fahren; es müsste machbar sein, mit dem Zug um 3 hoch nach Hinterzarten, dort stünde, wie weit zum Hinterwaldkopf, und wenn es die Zeit erlaubte, dort hinten 1 (meßbar) Foto zu machen.
Am Ende wollte er auf jeden Fall vor 12 Uhr zu Hause sein.
unterwegs noch Brotzeit kaufen, da kam im Edeka der Wladislaw F an und verwickelte Franz K so in ein Gespräch, dass dieser eigentlich am Bahnhof den Zug verpasst hätte, wenn der pünktlich losgefahren wäre.
Irgendwann fuhr er dann los, mit Franz K.
Bei der Elektrifizierung der Strecke mussten die Tunnel innen oben ausgekratzt werden, damit die Funken an der feuchten Tunneldecke keinen Kurzen verursachen. Das musste genau dann sein und die Züge warteten dann immer wieder ein bischen.

8km, sagte der Wegweiser.
Das sollte leicht machbar sein. Sonnenuntergang 5 vor 8.00, 8km sind ~2h Gehen.
Ausgerüstet mit Armbanduhr, DB-Faltplan (: letzter Zug 22:38 Uhr), Pause, Handy und Licht schlenderte Franz K gen Westsüdwest und verpasste die Sperrstunde der Hinterwaldkopfhütte um 18:30 Uhr nur knapp.

Der Sonnenuntergang war sehr geil, weil nicht, wie letzten Oktober der Zastler zwischen Sonne und Horizont war, sondern Vogesen, mitte September. Je weiter der Abstand Betrachter-Sonnenuntergang ist, desto mehr langwellige Lichtstrahlen auf die Zirbeldrüse!

Oben am Denkmal waren 3 Lustige von einem Sportverein paar Täler weiter, die hatten sich bergab eine Hütte gemietet, zum gepflegten Saufen unter der Woche. Auch dort hätte Franz K übernachten dürfen.
Dann kamen noch 2 Autos voll Studenten, die dort oben chillen wollten, die wussten nicht, ob sie nachts noch zurückfahren.
Aber den laut fotografierenden StudentInnen hatte er es eigentlich zu verdanken, auch noch den im rosa Gegenhorizont fast voll aufgehenden Mond zu bemerken, den hatte Franz K bei seinen Vorbereitungen dieses mal gar nicht berücksichtigt; Unverhofft kommt oft!
Franz K schoß sein Foto, ähnlich:





Ein Beitrag geteilt von Juff (@derjuff) am
und nahm gleich danach den sicheren Rückweg, ohne große Umschweife.
Ortseingang 5 vor 10 entschied sich Franz K gegen ein schnelles kühles frisches Weizen in der Schwemme, denn er war selbst erstaunlicherweise immer noch gut ausgerüstet.

Der Bahnhof war gelb erleuchtet. Auch hier hatten sie etwas neu gemacht.

Die Zeit aus dem aktuellen Faltplan, ab 22:38, fand sich auch korrekt im gelben Aushangfahrplan wieder: 22:38 Uhr letzter Zug.

Die neue leuchtende bewegte Anzeige zählte die Minuten, indem sie die digitale aktuelle Uhrzeit mit Sternen ständig nach links zog.
Die Uhrzeit auf der Anzeigetafel lief analog mit Franz Ks Armbanduhr, was ihn beruhigte.

Auch bei 22:39 Uhr versuchte Franz K noch optimistisch und verständnisvoll zu sein, und bei 22:40 Uhr fand er doch wo eine DB-Hotline: 01806996633 und reihte sich in die Warteschlangen der Callcenterroboter.

Ein Gesicht im ersten Stockwerk des Bahnhofsgebäudes! Pantomimisch versucht Franz K, die graue Gestalt um Hilfe zu bitten. Die graue Gestalt dreht sich ab.

Um auf Gleis 1 zum Automaten  zu gelangen, würde Franz K riskieren, im Verbindungstunnel der Gleise die Verbindung zur DB-Hotline zu verlieren und in der Hotline wieder von vorne anfangen zu müssen.
Da fuhr am Bahnhofsvorplatz ein Bus.
Er riskierte es.
Der Automat war doof, und plötzlich war doch ein Mensch am Hörer. K hatte nicht widersprochen, das Gespräch wurde aufgezeichnet.
So sagte der Bahntyp, um :44, das war der letzte Schienenersatz, weil nachts die letzten beiden Züge wegen den Bauarbeiten standen.
Weil es aber nirgends angeschildert war und nirgends erkenntlich, könne er sich Taxikosten über "Fahrgastrechte" geltend machen.

Es war 23 Uhr, es war kalt und spät.

Bei der Bushaltestelle stand ein Taxi, aber ein vergebenes, das auf einen Fahrgast in eine andere Richtung wartete. Sie meinte aber, dass noch 1 oder 2 Busse kommen müssten, aber eine Telefonnummer vom Taxi-Typen stünde am Bahnhofsvorplatz.
Am Bahnhofsvorplatz hatte sie ihn wieder eingeholt und bot hilfsbereit an, ihren Chef anzurufen, dass der bestätigen würde, dass irgendwann noch ein Bus kommen würde. Der mittlerweile eingetroffene Fahrgast glaubte auch an noch kommende Busse.
Der Chef auch.

Da kamen einige Gambianer aus der Nacht und stellten sich an die Bushaltestelle. Wenn Gambianer in Hinterzarten nachts in der Kälte an der Bushaltestelle stehen, dann haben sie den Fahrplan begriffen, kombinierte Franz K und entließ die Sammeltaxifahrerin in ihre Fahrt.
Die Gambianer räumten Ks Hoffnung aus und er wählte die empfohlene Taxinummer: sein Geburtstag+666.

Der Taxifahrer kam bald, jedoch erwies er sich als einer der gesprächigereren Fahrgastbeförderer. Franz K kam nicht umhin, sich über den Verkehr, das Verkehrssystem und das System ansich belehren zu lassen. Exemplarische Hinweise unterwegs schloß der auch Fahrende immer mit den Worten "Finde den Fehler!"
Irgendwann war die fahrt zu Ende, am Fahrrad am Bahnhof, der Taxi-Typ hatte € 66.60 Forderung und fuhr dem Fahrrad hinterher zur Bank.

Franz K war um Viertel vor 12 daheim.

Hatte er sein Ziel erreicht?
Weder der Hinterwaldkopf noch die Ankunft vor Mitternacht spielten eine Rolle.
70€ waren offen und weder der tolle Mond noch die Labertasche von Taxifahrer waren absehbar aber nachhaltig.

Sobald Menschen ins Spiel kommen, zum Beispiel Bahn-Mitarbeitende, regiert das Leben über die Theorie.
Das Thema 'Ziele', sowie Franz Ks Umsetzung sollten jedoch weder am nächsten Tag, noch die nächsten Wochen, in der Maßnahme aufgegriffen werden.


Am nächsten Tag begab sich Franz K zum Bahnhofsschalter, um seine Fahrgastrechte geltend zu machen.
Die Dame war sehr verständnisvoll und reichte ihm ein Formular mit wenig Platz für die Story.
Sie verteilt weiterhin die aktuellen Streckenfahrpläne mit 22:38 letzter Zug, wissentlich des dort fehlenden Schienenersatzverkehrs.

3 Wochen später am Freitag nach Feiertag:
Franz K bekommt einen Brief, dass sie nicht zahlen und behaupten, es wäre in Hinterzarten angeschrieben gewesen und stellen Franz K, für den €66.60 ein Haufen Geld ist, in die Bringschuld.

Als Telefonnummer des Ansprechpartners stand nur eine Durchwahl ohne Telefonnummer auf dem Brief. Scharfsinnig fand K die Nummer der Verkehrsbetriebe unter CO²-Verbrauch der Rechenzentrumskühlung der RVF-Seite und kombinierte diese mit der Durchwahl vom Brief und erreichte einen Sprachroboter, der erzählte, dass der RVF bis 18:00 offen hätte, dann kam Fahrstuhlmusik und danach landete er bei der Streckenauskunft der Deutschen Bahn, 3x bei verschiedenen.

Also begab sich Franz K selbst zum RVF-Hauptquartier, mit dem Brief, um mal vorzusprechen, denn es war noch weit vor 18:00 Uhr.
Es war tatsächlich ein uniformierter Angestellter hinter dem Tresen, Ks Ansprechpartner war nicht im Haus und käme erst montags wieder. Derweil spielten die Enkel des Verkehrsbetriebsmitarbeiters schonmal Sesselfurzen, anstatt dass der Opa dem Kunden einen Service macht.

Jedes Ziel bringt ein Danach mit sich.
Die Theorie endet am Rand des Flipcharts.
Der Weg ist das Ziel, sagen die Konfuzianer,
Kein Weg als Weg und kein Ziel als Ziel, sagt der daoistische Philosoph und Kampfkünstler Bruce Lee,
Es gibt keinen Weg, nur Gehen, sagt Joachim-Ernst Behrendt.


UPDATE:

Franz K ging dann montags nochmal mit dem Brief beim vermeintlichen RVF-HQ vorbei, die waren aber eigentlich Bahn und verwiesen ihn an das gelbe Haus mit der Glaskuppel gegenüber, dort im 5. Stock.
Dort die Sekretärin holte den Sachbearbeiter, der meinte, daß er nochmal bei der Bahn nachfragen würde.
Die Bahn gab nicht klein bei, aber es kam ein Brief in Franz Ks Briefkasten, dass der RVF sich einmalig kulant zeigt und die 35€ für die Regio-Monatskarte zurücküberweist, was was ~soviel ist wie halb das, was Franz K für das Taxi gezahlt hat.
Immerhin Menschlichkeit!