Sonntag, 30. Oktober 2011

Primacy-Effekt

Unter Primacy Effekt versteht der Pädagoge einen Fehler bei der Wahrnehmung von Personen, wobei eine Person aufgrund des ersten Eindrucks auf eine gewisse Eigenschaft, und nur auf diese eine, festgelegt wird.

Ein Beispiel: Ein Mann, der eigentlich nicht schlecht aussieht, vielleicht ein bißchen müde, weil er während seines Urlaubs hardcore chillt, dieser Mann verlässt zur Abwechslung mal das Haus in einer Mission, in relativer Nähe zu seiner Wohnung kurz etwas zu tun, wobei es von Nutzem ist, möglichst unauffällig zu sein, geschweige denn wiedererkannt zu werden, auf diese Tätigkeit hier aber nicht weiter eingegangen zu werden braucht.
Da zieht er seinen über 10 Jahre alten Bauern-Parka an und macht sich auf den Weg.
Wird dieser Mann plötzlich mobiltelefonisch gebeten, einen abends unpässlichen Diskjockey zu vertreten, kann das aber nicht, weil seine Musiksammlung mit der Soundanlage in der Lokation nicht kompatibel ist, er sich aber in der Nähe eines Ladengeschäfts befindet, in welchem ein Diskjockey mit Musik in kompatibler Form auch arbeitet, so will er helfen und geht da hin.
Der DJ ist nicht da, und so versucht der Mann anderweitig Ersatz zu finden, aus Hilfsbereitschaft dem unpässlichen DJ gegenüber. Der Mann denkt an DJ M. Vielleicht hat O ne Handynummer von M. O geht nicht ran. Vielleicht hat S die Handynummer von M. S geht ans Handi ran, ist aber in einem Geschäft in der Innenstadt am verhandeln und würde sich gleich melden.
Der Mann geht also schonmal in die Innenststadt, um dann S zu treffen wegen der Nummer von M oder um in der Stadt vielleicht nem anderen DJ zu begegnen. Weil wo sollen die rumlaufen wenn nicht auf der Kajo am Bert? Man kann ja nicht in die Reggae-Kneipe einlaufen und rumschreien "Hey ich bräucht einen von Euch als DJ um heut abends in der anderen Bar ne Party zu machen"
Und da steht der Müllmann mit der Rasta-Mütze auf dem Gehsteig. Der Mann erklärt ihm seinen Quest und schlägt ihm vor, seine plötzliche Chance zu nutzen und heute mal seine Platten aufzulegen. Er will nicht und verweist den Mann in den F-keller um die S zu fragen, die wüsste bestimmt wer.
Die DJs vom F-keller kennt der Mann aber selber, die wohnen weit weg.
Also ruft er weit weg an, ob einer von denen doch näher wohnt und heut abend Zeit hätte. Aber die DJs vom F-keller wohnen alle nicht in der Stadt.
Da läuft einer am Berthold mit Bobmarleyfrisur, den der Mann schon mal auf einer Reggaeparty gesehen hat. Er läuft diesem 2 min nach, bis der aufs Rad steigt und wegfährt.
Der Mann geht zum Augustinerplatz, überlegen.
"Der C vielleicht. Zumindest hätte der die Nummer vom F." Er wählt, aber die Nummer vom C scheint veraltet zu sein.
Die C ruft er noch an. Entweder legt sie auf, ihr Freund könnte, oder sie hat die Nummer vom U, der die Nummer vom F sicher auch hat. Die C muß auch am nächsten Tag schaffen aber hat wenigstens die Nummer vom  U wegen der Nummer vom F, was aber auch nix bringt, weil der U dann nicht rangeht.
Dann trifft sich der Mann mit der S, die hat die Handinummer vom M. Der M geht aber nicht ran, vielleicht ist er in ner Vorlesung. Die Festnetznummer, die sie vom M hatte, war die, die der Mann sowieso schon hatte, wo keiner rangeht.
Letzte Chance: der H. Der Mann ruft an, geht ein Fremder ran, der meinte, er hatte mal vor Jahren ein Projekt mit dem H, woher der Mann auch wohl die Nummer hätte. Er gibt ihm ne Nummer vom H, wo er sich nicht sicher war, ob, oder man schrieb ihm ne email, da würde der in 30sec antworten, ja so is der H.
Bei der Nummer wurde nicht abgenommen, und ausnahmsweise war der Mann ja mal offline, nur mit Telefon, was ihn jetzt nicht weiterbrachte.
Er fand zwar im Telefonspeicher noch die Festnetznummer vom L, aber da ging auch niemand ran.
Dann rief L zurück, es war seine Frau, die gab dem Mann liebenswerterweise die Nummer von L auf Arbeit.
Er hat sie dann aber falsch eingetippt, musste sie nochmal anrufen, bis er L auf Arbeit erreichte, aber der wollte unter der Woche auch nicht.
Allerletzte Chance: vor dem Hanfladen steht bestimmt ein verlauster Erstsemesterkiffer, der so locker ist, seine fette Plattenkiste aus einer anderen Stadt heut abends dem Freiburger Publikum zu präsentieren, dachte der Mann. Aber im Hanfladen sind heutzutage nur so Techno-Leute und Grufts.
Mittlerweile sollte er schon den R zurückrufen, der daheim hofft, dass der Mann nen DJ findet.
Wenn man manchmal garnichtmehr weiter weiß, so kann man sich mit nem Kaffeezummitnehmen und ner Kippe auf die Treppen vorm Stadttheater setzen, den Blick in den vorüberfahrenden Autos verlieren und warten, dass was passiert, auch wenn man eigentlich gar nicht mehr Kaffee trinkt.
Also ging der Mann zum Backhaus, drückte den Automaten auf den Knopf: es würde ein großer Kaffee -aber egal.
Er geht zur Stadttheatertreppe, setz den Becher Kaffee an einer Stufe ab, bevor er sich selbst hinsetz. Dann will er den Kaffee nehmen und den ersten Beruhigungsschluck nehmen und muß feststellen, dass er den Kaffee nicht auf die Stufe, sondern daneben in die Luft abgestellt hat und dieser jetzt auf den Stufen nach unten läuft! Einen Schluck hat er nur noch erwischt.
Den Plan mit dem Kaffee und der Kippe fand der Mann aber so genial, dass er sich sofort nen neuen Kaffee holen wollte. Mit dem leeren Kaffeebecher läuft er schnurstracks zum Backhaus um ihn dort wegzuwerfen und sich nen neuen zu ziehen. Und plötzlich kreuzt ihm da von links ein ihm unbekannter fremder Dreadlock-Mann die Spur! "Es musste so sein", dachte sich der Mann. "Den labere ich jetzt an, ob er heute seine einmalige Chance nutzen will, Freiburg seine Platten vorzuspielen, Spaß zu haben, Eindruck zu machen und obendrein noch einen kleinen Obolus abzugreifen." Er stellt sich ihm also in den Weg und spricht ihn mutig an: "Du, Entschuldigung ...!" Der sieht den Mann an, sieht den Kaffeebecher, zieht seinen Kopf verächtlich zurück und geht weiter in seiner Spur schneller und lässt ihn einfach stehen, als wolle er gar nicht wissen, welche Chance auf ihn wartet.
Der Mann musste selber lachen: der Primacy-Effekt!!!

Wenn mich in der Nähe vom Denkmal einer mit nem verschlonzten Parka und nem leeren Kaffeebecher anquatschen würde, hätt ich mich möglicherweise ähnlich verhalten. "So einer muss ja ein Penner sein!" So geht man durch die Welt. Könnte es nicht auch einer sein, der sich unauffällig kleiden wollte und grad versehentlich einen Kaffee verschüttet hat und sich jetzt einen neuen holt, und aus Nettigkeit ein tolles Angebot macht, wie ne Wild Card in die Reggae-DJ-Szene?
Manchmal!

Sind Leute mit Dreadlocks erfolgreich anzusprechende Reggae-DJs?
Nicht immer.

Meine Maskerade hat bei der Frau vom Backshop auch gezogen: ich bekam den zweiten Kaffee umsonst, mache mir nun aber Gedanken, ob ich die gammelige Jacke nochmal anziehen kann.
Und so kam es wie es kommen musste: ich hatte mal Platz abends in der Beatbar, weil ich mich auf die andere Seite der Controller gestellt hab, mit den Platten vom Robbie Dee und einer anderen, fresheren Jacke, doch das nur am Rande.

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